"Zwischen Tür und Bett" Anne Passow / Petra Uhlig
Zehn Jahre Mobile Hauskrankenpflege Petra Uhlig im Bezirk Prenzlauer Berg in Berlin gaben den Anlass zurückzublicken und sich zu erinnern.
Die Autoren schildern die Diskrepanz zwischen der Wirklichkeit und dem Anspruch der Firmengründerin Petra Uhlig, soziales Engagement, persönliche Selbstverwirklichung und eine rentable Firma miteinander zu vereinen. Der Bericht zeugt von Prägungen, die vielleicht viele Unternehmer in der Branche ganz ähnlich erfahren. Einige wirtschaftliche Aspekte werden vom Buchhalter der Firma umrissen. Die Probleme, die angesprochen werden, können allerdings als exemplarisch gelten. Hinzu kommt der Blick der Pflegedienstleiterin, die früher jahrelang im Krankenhaus gearbeitet hatte und sich nun in der Hauskrankenpflege mit Aufgaben arrangiert, die sie vorher nicht vermutet hätte. Zwei Mitarbeiterinnen beschreiben ihren jeweils unterschiedlichen Umgang mit der Arbeit und den Patienten.
Wesentlicher Bestandteil des Buches sind die Lebensgeschichten der Patienten, mit denen das Pflegepersonal in der Hauskrankenpflege viel intensiver konfrontiert ist als im Krankenhaus. Das Buch will dem Bedürfnis der Patienten nachkommen, mit ihren Geschichten ernst genommen zu werden. Die entstandenen Geschichten sind sehr unterschiedlich. Mal wird ein ganzes Leben beschrieben, mal sind es nur bestimmte Erlebnisse, nahe oder ferne, die vergrößert in den Blick genommen werden. Auch der Abstand der Menschen vom Erzählten war sehr verschieden: Einigen kam ihre Geschichte wie etwas längst Vergangenes vor, andere schienen alles gerade gestern erlebt zu haben. Das spiegelt sich im Rhythmus ihrer Sprache wieder. Deshalb wurde versucht, den Charakter der Erzählenden möglichst zu erhalten.
Zum Beispiel wäre Bruno aus der Christburger Straße nicht mehr Bruno, hätte man ihm seine „Berliner Schnauze“ gestrichen. Margarethe aus der Hochstraße ist eine hochbetagte Frau. Ihre Erinnerung erscheint wie ein Filtrat aus dem tatsächlich Erlebten. Heinz aus der Streustraße war 1945 dreizehn Jahre alt, doch wenn er erzählt, scheint hinter den friedlichen Fassaden der Kriegsschauplatz Berlin wieder aufzuerstehen. Rita aus der Jablonskistraße erzählt von einem Leben, das von einer ungewöhnlichen Spannbreite gezeichnet ist. Die Höhen des Erfolges als Karrierefrau im Außenhandel wurden von ihr ebenso durchmessen wie tiefe Einsamkeit und Verzweiflung. Das betrifft auch Martha aus der Hanns-Eisler-Straße, die von sich behauptet, dass sie nie die Chance zum Aufstieg gehabt hätte, weil ihr Leben eigentlich immer aus dem Kampf ums Überleben bestand. Walther aus der Gleimstraße war vor seinem Absturz in den Alkoholismus Dozent an der Humboldt-Universität, Sektion Betriebspädagogik. Paul in der Oderberger Straße wundert sich, wie viele Leute sich an der Tür seiner Hinterhofwohnung einfinden, um ihm einfach Geld abzuknöpfen.
Allen Geschichten ist gemeinsam, dass sie von „Außenstehenden“ stammen, dass sie Sichtweisen und Erinnerungsreste enthalten, die über Systeme hinweg reichen. Es sind leise Stimmen, die selbst keinen Anspruch erheben, laut zu werden. Dennoch wollen sie vernommen werden, auf der Suche nach einer Verbindlichkeit, die anscheinend verloren gegangen ist ...
Broschiert - 186 Seiten - Schibri-Verlag
Erscheinungsdatum: Oktober 2001
ISBN: 3933978459
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